Segelflug Streckenfluglehrgang

„Moin Elli, Willkommen am Flugplatz. Wir sind hinterm Tower, kannst gerne dazukommen.
Findest uns da wo das Feuer brennt.“

So wurde ich von Peter am Flugplatz Hodenhagen empfangen, als ich dort am Freitagabend auf den Hof rollte. Der Flugplatz Hodenhagen mit seiner befeuerten 900 m mit Perfo-Platten verstärkten Graspiste ist unter den Motorfliegern zumeist bekannt durch seine Currywurst-Flyins und gilt in dortigen Kreisen als ein immer wieder gern gewähltes Ausflugsziel. Doch auch als Segelflieger kann man den weitläufigen Flugplatz aufgrund seiner Einstiegslage in die Heidesandgebiete gut für seinen nächsten Fliegerurlaub ansteuern.

Die Luftsportler verstehen sich und so kann der Aero-Club Hodenhagen genügend Fläche für alle bieten – ob mit oder ohne Motor. Doch bekanntlich sind es die Mitglieder, die einen Verein antreiben und am Leben halten, denn das Material spielt hierbei nur eine wichtige Nebenrolle. Einer dieser Antreiber waren in der Lehrgangswoche Peter und Finn. Die beiden Jungpiloten waren mit ihren Vereinskollegen zu jeder Tages- und Nachtzeit auf dem Flugplatzgelände im
Einsatz. Ihr Aufgabenspektrum war groß und reichte vom Brötchenaufbacken über Rasenmähen, hin bis zum Flächehalten und Windefahren.

„Ist dann doch mehr, als man anfangs so denkt“, sagte Peter irgendwann mal zu mir, als wir abends neben der Veranda des Jugendcontainers um die knisternde Feuertonne herumstanden und gemeinsam ein Bier tranken. Zustimmendes Nicken der anderen. Und doch ließen sie keinen Wunsch der Teilnehmenden und der Trainer offen – gleichwohl sie sich mit mehreren Herausforderungen konfrontiert sahen: Stromausfällen und einem gut gelaunten Petrus.
Letztgenannter war gut drauf und so konnten wir jeden der sieben Lehrgangstage fliegen.

Gemütliches Beisammensein vor dem Jugendcontainer

-Tagesablauf-
08:00 Frühstück
Aufrüsten
10:00 Briefing und Lehrvorträge
12:00-14:00 Startaufstellung
FLIEGEN
19:00 Abendessen
Debriefing

Nach dem gemeinsamen Frühstück wuselten alle in Richtung der Anhänger. Aufrüsten vor dem Briefing war die tägliche Devise. Leichter gesagt als getan, denn manche der Teilnehmenden waren in dieser Hinsicht noch ungeübt. Eigenorganisation, Teamwork und ständige Wachsamkeit beim gemeinsamen Flügelanstecken wurde von Tag zu Tag
perfektioniert. Was zu Wochenbeginn noch teilweise chaotisch und zeitstressig war, wurde durch die tägliche Routine und das Miteinandersprechen schnell zur Leichtigkeit. „So, alles fertig“ Markus blickt auf die Uhr und schmunzelt „Briefing ist ja erst in 20 Minuten. Dass ich mal so organisiert beim Aufrüsten bin, hätte ich am Anfang der Woche niemals gedacht!“

Um zehn sammelten sich alle im Schulungsraum. In großer Runde besprachen wir das tägliche Vorhaben. Wir wurden in Gruppen von ein bis zwei Trainees pro Trainer eingeteilt, je nach Flugerfahrung des Piloten und des mitgebrachten Flugzeugtyps. Von der Ka 6 bis hin zum Arcus war alles dabei und so mussten die Trainer an mancher Stelle etwas jonglieren, bis die Teams gut zusammenpassten.

Weiter ging es mit einem ausführlichen Wetterbriefing – die große Unbekannte für viele Streckenflugneulinge. Ein Dschungel an bunten Wetterkarten, Tabellen mit ganz vielen Zahlen und ein Diagramm mit zwei krakeligen Graphen. „Äh… Was?“ Unsere Trainer Lukas und Falk führten uns täglich in aller Ruhe durch einen Nebel an Fachbegriffen. Hierbei fingen sie bei den Basics an. An einem Tag zeigte Falk uns eine Animation der Weltkugel. „Ganz so weit draußen
müsst ihr zwar nicht anfangen. Aber trotzdem sollt ihr verstehen, dass es sich bei dem Streckenflugwetter um kein lokales Phänomen handelt, sondern ihr bei eurer Planung das große Ganze und die sich hieraus ergebenen Zusammenhänge betrachten müsst. Bei Langeweile in einsamen Nächten mal weniger Instagram – auch mal sowas gucken.“ Anhand
der üblichen Wettertools lernten wir nach und nach, wie man ihnen die benötigten Informationen entlockt, die man für seine Streckenflugplanung braucht. Und nach dieser Woche ist nun jeder Trainee bestens gewappnet für das nächste Stammtischgespräch.

Danach folgte eine Theorieeinheit mit vielfältigen Themen und schloss mit der Aufgabenplanung ab. Die geplanten Strecken lagen im Bereich von 150 – 350 km und orientierten sich am Wollen und Können der Teams. Alles weitere spielte sich innerhalb des zugeteilten Teams ab.

Im Ergebnis sind wir jeden Tag geflogen und sammelten so in Summe gemeinsam knapp 18 000 km Strecke. Für einige eine neue Erfahrung, die an mancher Stelle anstrengend war, gleichzeitig aber viel Routine mit sich brachte. Viele der Teilnehmenden sind aus ihrer Komfortzone herausgekommen und haben reichlich gelernt: über das Streckenfliegen, aber
auch über sich selbst.

„Warum nehmt ihr an diesem Lehrgang teil?“

Diese Frage stellte uns Joshy, der Lehrgangsleiter, beim ersten gemeinsamen Briefing. Er blickte in viele unterschiedliche Gesichter. Die Gruppe an Trainees war bunt gemischt. Sowohl vom Alter, Erfahrung, als auch vom mitgebrachten Flugzeug. Besondere Voraussetzungen waren explizit nicht verlangt und so waren wir alle samt unterschiedlich.

Eine Sache einte uns aber: Wir waren motiviert!

Jedoch hatte jeder von uns ein Defizit in Bezug auf das Streckenfliegen, worauf bezogen er alleine nicht mehr so recht weiterkam. Häufig war es die Angst vor dem Wegfliegen vom Heimatplatz. Dazu kam der Wunsch danach, selbstständig in der Streckenplanung und – durchführung zu werden. Sich „freizuschwimmen“ und selbstsicher zu werden. Selbstvertrauen zu gewinnen und das Flugzeug zu beherrschen. Nicht mehr auf der Stelle treten. Das Wetter und
das eigene Können einschätzen zu lernen und somit in der Folge Fortschritte in der eigenen Fliegerei machen zu können. Jedem von uns war klar, dass letzteres mit der Erfahrung kommt, die man im Laufe der Zeit sammelt. Doch wie schafft man den Einstieg?

Viele frische Lizenzinhaber haben die Erfahrung gemacht, dass man intrinsisch motiviert durch die Ausbildung hastet und sich der Illusion hingibt, dass das einzige Hindernis zwischen sich und der eigenen Streckenflugkarriere, der Lizenzerwerb sei. Kaum hat man die letzten Glückwünsche entgegengenommen und den sehnsüchtig erwarteten Brief vom LBA erhalten, kann es passieren, dass man in das vielseits bekannte „Loch“ fällt. In der Ausbildung hat man gelernt das Flugzeug zu fliegen, aber wie geht man das Thema „Streckenflug“ überhaupt richtig an? Ein mancher hat das Glück im Verein auf Gleichgesinnte und Mentoren zu treffen, die einen mitziehen. Aber ein großer Anteil der Neulinge fühlen sich alleine gelassen, überfordert und mutlos. Früher oder später fehlt der Anreiz, die Stunden werden weniger und die Frequenz der Außenlandungen höher. Und schnell findet man sich nur noch in Platznähe wieder. Ziellosigkeit und Frustration macht sich breit, wenn die Kameraden abends mit begeisterten und leuchtenden Augen von ihrem abenteuerlichen Streckenflug erzählen. Man macht sich so seine Gedanken: „Vielleicht ist das Streckenfliegen gar nichts für mich…“

Unser Sport ist zu klein, um noch mehr solcher anfänglich motivierten Piloten zu verlieren und gerade deswegen ist das ehrenamtliche Engagement unserer Verbände und seiner Mitglieder so wichtig! Sechs erfahrene Trainer haben sich dazu entschieden, diese Woche gemeinsam mit uns zu verbringen. Sie haben ihre eigene Zeit im Cockpit an unsere Bedürfnisse angepasst, um uns zu zeigen, dass das Streckenfliegen eine ganz tolle Sache ist und unglaublich viel Spaß macht. Man sammelt Erfahrungen und erhält Eindrücke, die regelrecht süchtig machen. Ja, es ist herausfordernd, aber gerade das macht den Reiz aus. Strecken ohne Motor zu fliegen, die durch weite Landesteile reichen. Die Landschaften in voller Schönheit von oben zu sehen. Das Wetter lesen lernen und verstehen wie man es für sich nutzt, um nach Hause zu kommen.

Aber unseren Sport prägt vor allem eines: Die Gemeinschaft.

Das Ende der Woche feierten wir gemeinsam mit den Hodenhagener Vereinsleuten beim Abschlussabend. Joshy wollte gerne hören, wie es uns gefallen hat. Das Fazit der Teilnehmenden fiel positiv aus. Jeder habe etwas für sich mitnehmen können. Man wolle das hier erlernte mit nach Hause nehmen und dort umsetzen. Teilnehmer Jesper habe für dieses Jahr die Teilnahme an der Junioren-Quali geplant, Markus wolle sich auch mal vom Platz wegtrauen und Tom möchte seine Vereinskollegen anstiften gemeinsam mit ihm auf Strecke zu gehen. Joshy wirkte zufrieden. Der Abend war fröhlich und voller lustiger Geschichten. Wir vernichteten gemeinsam die Trainergeschenke, guckten Sterne auf dem Vorfeld und ließen die Woche gemütlichausklingen.

Polarlichter über Hodenhagen

Liebe Trainer, lieber Verein,
Vielen Dank für eure Zeit, sich mit uns zu beschäftigen,
für euer Engagement, den Gedanken unseres Sports an Neulinge weiterzutragen
und für das Ausrichten dieses Lehrgangs!

#RTFM

RTFM = Read The Fancy Manual oder so ähnlich…